Enttäuschung über Ablehnung des Bürgerantrags zur Benennung einer Straße nach Marie Juchacz

Voller Unverständnis hat die Vorsitzende des AWO OV Swisttal, Maria Gleißner, auf die formale Ablehnung des Bürgerantrags von Gabriele Campe auf Benennung einer Straße in der Gemeinde Swisttal nach Marie Juchacz reagiert. Die Ablehnung wurde von der Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner mit einem Beschluss aus dem Jahre 2008 begründet, wonach bei der Benennung von Straßen von Vorschlägen mit Personen abzusehen ist – auch im Hinblick auf die Akzeptanz bei den Bürger*innen. „Die Möglichkeit, diesen Beschluss durch ein „grundsätzlich“ zu ergänzen, um begründete Ausnahmen zuzulassen, ist in der Ausschusssitzung leider nicht aufgenommen worden“, bedauert Maria Gleißner, „und ich wüsste nicht, wer mehr als Marie Juchacz eine Ausnahme verdient hätte“.

 

In der Antragsbegründung führt Gabriele Campe aus: Marie Juchacz war Dienstmädchen, Schneiderin, Fabrikarbeiterin. Und schon zu einer Zeit politisch hochengagiert, in der Frauen Politik gänzlich verboten war. Am 19. Februar 1919 hielt sie als erste weibliche Abgeordnete vor einem deutschen Parlament eine historische Rede. Schon für diese Rede ist sie in die Geschichte eingegangen. Marie Juchacz kämpfte für das Frauenwahlrecht, leistete Widerstand gegen die Nationalsozialisten, musste ins Exil fliehen und setzte sich ihr Leben lang für diejenigen ein, die in der Gesellschaft keine Stimme hatten. Am nachhaltigsten wirkte Marie Juchacz durch die Gründung eines der heute größten deutschen Wohlfahrtsverbände nach: Am 13. Dezember 1919 gründete sie die Arbeiterwohlfahrt.

 

Von der Gründung der Arbeiterwohlfahrt 1919 bis zur Zerschlagung durch die Nationalsozialisten, 1933, war sie Vorsitzende der AWO. Von den Nationalsozialisten verfolgt, floh Marie Juchacz 1933 zunächst nach Saarbrücken. Dort eröffnete sie eine Gaststätte, die zur Anlaufstelle für Geflüchtete wurde. Über verschiedene Anlaufpunkte in Frankreich ging sie 1941 schließlich ins amerikanische Exil. Von Freund*innen unterstützt, fand sie eine Unterkunft. So gelang es ihr nach Kriegsende in der New Yorker AWO, die sie mit gründete, für die Opfer des Nationalsozialismus den Versand von Hilfsgütern und Care-Paketen zu organisieren.

„Als Marie Juchacz 1919 die Arbeiterwohlfahrt gründete, hat sie ganz sicher nicht im Sinn gehabt, dass die Arbeiterwohlfahrt einhundert Jahre nach ihrer Gründung bundesweit von über 335.000 Mitgliedern, 66.000 ehrenamtlich engagierten Helfenden sowie 215.000 hauptamtlichen Mitarbeitenden getragen wird und damit sich in mehr als 13.000 Einrichtungen für Hilfesuchende und Hilfsbedürftige engagiert“, so Maria Gleißner. Und weiter resümiert sie: „Marie Juchacz machte sich zeitlebens für Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft stark. Die Benennung einer Straße zu ihrer Erinnerung würde in eine Zeit fallen, in der Fragen hochaktuell sind, die sie schon vor 100 Jahren zu beantworten versuchte. Der Druck, den Rechtspopulisten auf die demokratische und solidarische Struktur unserer Gesellschaft ausüben, nimmt zu. Die Errungenschaften um die Rechte von Frauen sind zahllos – werden aber noch immer in Frage gestellt. Darum ist es Zeit, an diese außergewöhnliche Frau zu erinnern.“